Die in der DDR gereifte Kunst der Improvisation führte manchmal auch bei Contipark zu unkonventionellen Lösungen.

Fast alle stellte die Wende vor große Herausforderungen. Nur wenige Politiker konnten im Herbst 1989 vorhersehen, was am 9. November passieren würde. Auch Contipark wurde von den Entwicklungen sprichwörtlich überrollt. Hunderttausende Trabis, Wartburgs und Ladas nutzten die neue Freiheit und stürmten in die westdeutschen Städte und vor allem in den Westteil des nun nicht mehr geteilten Berlins. Lange Schlangen bildeten sich an den Grenzübergangsstellen. Zweitaktschwaden der Trabis und Wartburgs färbten die Innenstädte bläulich ein.

Es herrschte ein Verkehrschaos, über das sich zunächst niemand beschwerte. Ganz im Gegenteil, das Wort „Wahnsinn“ prägte die Nacht der Nächte im November, und die Freude war riesig – in Ost und West. Bald schon stellten die ostdeutschen Kommunen fest, dass sie mit der neuen Parkplatzsituation hoffnungslos überfordert waren. Immer mehr DDR-Bürger trennten sich vom nun ungeliebten Trabi und leisteten sich die begehrten Modelle um Golf & Co. Nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde das Parkplatzproblem immer größer. Schon früh hatte sich Contipark-Geschäftsführer Dieter Luchterhand für diese Problematik interessiert. Eine zusätzliche Herausforderung war die Übernahme der Parkhäuser der Erdölmultis BP und Fina durch Contipark.

Die Wende: Herausforderungen und Chancen

Eine große Herausforderung für Contipark – mit dieser Expansion hatte ja niemand rechnen können. Woher zuverlässiges Personal für die Parkeinrichtungen nehmen, das war die große Frage. Die Lösung waren ehemalige Angehörige der NVA, der Nationalen Volksarmee. Von den im Kalten Krieg über 170.000 Mann konnten damals nur wenige nach der Wiedervereinigung in die Bundeswehr wechseln.

Dieter Luchterhand war von den logistischen und organisatorischen Fähigkeiten seiner neuen Mitarbeiter begeistert. Geradezu generalstabsmäßig organisierten sie den Service und den Betrieb der neuen Parkhäuser nicht nur im Osten. Auch im Westen bewährten sie sich. Organisationsstruktur und die in der DDR gereifte Kunst der Improvisation, des Auskommens mit einfachsten Mitteln, führten manchmal auch zu unkonventionellen Lösungen.

Von Ost und West war im Unternehmen schnell nichts mehr zu merken. Gemeinsam ging man die anstehenden Aufgaben an. Doch die Jahre der Wende haben auch die Firmengeschichte von Contipark nachhaltig mitgeprägt.

Sand in Munitionskisten

Nur ein Beispiel für die einfallsreichen Lösungen der ehemaligen NVA-Mitarbeiter: Der Bedarf an Streumittel war fast jeden Winter groß. Und er wurde größer, je mehr Parkhäuser Contipark dazu bekam. Sand war genug vorhanden, allein die richtigen Transportbehälter fehlten. Ein ehemaliger NVA-Oberst in Contiparks Diensten erinnerte sich der großen praktischen Munitionskisten der untergegangenen DDR-Armee. Kurzentschlossen organisierte er alles, was aus den alten Beständen zu beschaffen war. Güterzüge transportierten die Kisten dann an ihren Bestimmungsort. Das führte in vielen Bahnhöfen zu erstaunten Gesichtern von Menschen, die sich fragten, wofür nur diese Massen an Munition im friedliebenden Deutschland wohl gebraucht werden würden. Da niemand wusste, dass in den Kisten nur Sand war, wurden teilweise ganze Bahnhöfe evakuiert.

Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1118-028 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons

Teilen Sie diesen Beitrag, wählen Sie Ihre Plattform!

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Weitere Beiträge zum Thema

Contipark

Veröffentlicht am: 9. November 2017Kategorien: Jubiläumsartikel 50Jahre Contipark0 Kommentare on Wahnsinn – Wende 1989Ansichten: 3347